Was ist Ethnologie?

Über unsere Disziplin

Während sich das Fach in Deutschland ursprünglich als „Völkerkunde“ etablierte, tragen mittlerweile alle Forschungseinrichtungen, Universitäts-Institute und -Studiengänge im deutschsprachigen Raum „Ethnologie“ bzw. „Sozialanthropologie“ und/oder „Kulturanthropologie“ im Namen. Ethnologie (ethnos – altgriechisch: Volk) stellt dabei begrifflich die Untersuchung und den Vergleich unterschiedlicher (ethnischer) Gruppen in den Vordergrund, während die Bezeichnungen „Sozial“- und „Kulturanthropologie“ – in Anlehnung an internationale Fachnamen – die Erforschung des Menschen (altgriechisch: anthropos) in seinen sozialen und kulturellen Bezügen akzentuieren. Über diese unterschiedlichen Bezeichnungen hinaus sind die thematischen und methodischen Herangehensweisen ethnologischer bzw. sozial- und kulturanthropologischer Forschung jedoch die gleichen. Ebenso stehen sie in direkter Kontinuität zu den Museen des Fachs, die im deutschsprachigen Raum teils weiterhin „Völkerkunde“ im Namen tragen.

Inhaltlich befasst sich die Ethnologie bzw. Sozial- und Kulturanthropologie mit der Vielfalt menschlicher Lebensweisen aus einer primär gegenwartsbezogenen Perspektive. Die Gegenstandsbereiche der Disziplin sind entsprechend breit gefächert: sie umfassen die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und religiösen Organisationsformen sowie die Norm- und Wertsysteme, die menschliches Handeln motivieren. Gleichzeitig beleuchten Ethnolog_innen bzw. Sozial- und Kulturanthropolog_innen, wie dieses Handeln gesellschaftliche Strukturen und die diesen zugrunde liegenden „kulturellen Logiken“ modifiziert.

Unsere Disziplin nähert sich ihren Themen in lokal verdichteter Weise und aus der emischen Perspektive an. Das heißt, Ethnolog_innen bzw. Sozial- und Kulturanthropolog_innen erforschen die unterschiedlichen Modalitäten menschlichen Handelns und Denkens in spezifischen Lokalitäten und zeigen auf, wie Menschen selbst die Welt um sie herum sowie ihr Handeln im Alltag wahrnehmen und erklären. Der Fokus liegt dabei ebenso auf der Rolle von Ideen, Symbolen, Sprache(n), Praktiken und Objekten, wie auf den größeren politischen, wirtschaftlichen und religiösen Zusammenhängen, die das soziale und kulturelle Miteinander gestalten.

Ethnolog_innen bzw. Sozial- und Kulturanthropolog_innen forschen in der Regel langfristig und suchen ihre Forschungsorte oftmals über Jahre hinweg immer wieder auf. Mit Hilfe partizipativer Methoden werden Menschen und Gruppen selbst aktiv in die Formulierung der Forschungsfragen und die Forschungsdurchführung einbezogen. Diese Forschungsansätze sowie die dichte Teilnahme an den Handlungen und Abläufen des Alltags sind eng mit dem Aufbau von Vertrauensverhältnissen verbunden: eine unverzichtbare Voraussetzung für das tiefe Verständnis lokaler Lebenssituationen sowie individueller und gesellschaftlicher Wertvorstellungen.

Der empirisch fundierte Einblick in spezifische Lebenswelten in einer zunehmend mobilen und vernetzten Welt ermöglicht eine vergleichende Analyse der Verflechtungen lokaler Ideen und Handlungsweisen mit überregionalen und globalen Prozessen. Des Weiteren rücken heute unweigerlich auch „westliche“ Gesellschaften in den Blick unserer Disziplin: In einer postkolonialen Weltordnung ist es zunehmend schwierig, eindeutig festzulegen, was das – vermeintlich – Bekannte und Vertraute an den Orten ethnologischer bzw. sozial- und kulturanthropologischer Forschungen ist, die historisch vor allem auf außereuropäische Kontexte konzentriert waren. Die Frage, aus welcher Position heraus Vertreter_innen unserer Disziplin, die an Universitäten, Forschungseinrichtungen und Museen weltweit tätig sind, ihre „verfremdende Perspektive“ auf einen bestimmten Untersuchungsgegenstand einnehmen, ist somit notwendigerweise Gegenstand einer kontinuierlichen (selbst)kritischen Reflexion.

 

 

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