Über unser Fach

Was ist Ethnologie?

Während sich das Fach in Deutschland ursprünglich als „Völkerkunde“ etablierte, tragen mittlerweile alle Forschungseinrichtungen, Universitäts-Institute und -Studiengänge im deutschsprachigen Raum „Ethnologie“ bzw. „Sozialanthropologie“ und/oder „Kulturanthropologie“ im Namen. Ethnologie (ethnos – altgriechisch: Volk) stellt dabei begrifflich die Untersuchung und den Vergleich unterschiedlicher (ethnischer) Gruppen in den Vordergrund, während die Bezeichnungen „Sozial“- und „Kulturanthropologie“ die Erforschung des Menschen (altgriechisch: anthropos) in seinen sozialen und kulturellen Bezügen akzentuieren.

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Aktuell

DGV Konferenz 2017

Die nächste Tagung findet vom 25. – 28. Juli 2023 in München zum Thema „Umstrittenes Wissen /  Contested Knowledge: Ethnologische Perspektiven“ statt.

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Die Gesellschaft für Völkerkunde unter nationalsozialistischem Regime

Seit Januar 1933 erschien das „Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Völkerkunde“ mit Beiträgen aus dem Fach bis 1935 zweimal im Jahr, sodann einmal jährlich 1936, 1938, 1939, 1940 und 1942. Als im Januar 1934 die dritte Nummer erschien, waren in Deutschland die Nationalsozialisten seit einem Jahr an der Macht. Gleich zu Beginn des „Mitteilungsblattes“, teilte der Vorstand mit, dass er sich aufgrund der „Neuordnung der Verhältnisse in Deutschland […] vor die Frage“ gestellt sähe „in welcher Weise die Völkerkunde an dem weiteren kulturellen und geistigen Aufbau in Deutschland theoretisch wie praktisch mitwirken kann“.[1]

Es folgt auf derselben Seite die anbiedernde „programmatische Denkschrift“, die Fritz Krause bereits im Vorjahr fertiggestellt hatte und mit der er „die Aufmerksamkeit der Behörden […] auf die Notwendigkeit“ hinlenken wollte, „den volksbildenden und volkserziehenden Wert der Völkerkunde bei Neuaufbau unseres Volkslebens nutzbar zu machen“. Hierfür müsste der „Völkerkunde an den Hochschulen und Volksbildungsanstalten“ die entsprechende Stellung eingeräumt werden.[2] Unter der Überschrift „Die Bedeutung der Völkerkunde für das neue Deutschland“[3] zeigte Krause vielfältige Optionen auf, wie das Fach unter nationalsozialistischer Regierung etwa bei der „Schaffung eines neuen deutschen Volkstums mit neuer harmonischer Struktur“ dienlich sein könne.[4] Krause, der sich 1933 auch auf internationaler Ebene für die Trennung der Ethnologie von der physischen Anthropologie engagierte,[5] nannte in dieser Schrift die „Anthropologie (Rassenkunde)“ unter den „Hilfswissenschaften“ an erster Stelle, bediente sich jedoch allgemein „vor allem kulturwissenschaftlicher, nicht rassenkundlicher Begründung“.[6]

 

Unter dem NS-Regime verfolgte Mitglieder

Für den konkreten Ausschluss von Mitgliedern während der Zeit des NS-Regimes liegen bislang keine Belege vor. Vielmehr werden auf einer Mitgliederliste, die offensichtlich zwischen 1938 und 1940 erstellt wurde, auch Personen genannt, die unter dem NS-Regime verfolgt wurden: Hierzu zählen Anna Berliner (1888–1977, 1938 Emigration in die USA), Theodor Danzel (1886–1954, 1933 Entlassung, 1934 allerdings vorerst aus der Gesellschaft ausgetreten), Walter Eisen (1896–1980, 1939 Emigration nach England), Eduard Erkes (1891–1958, 1933 Berufsverbot), Wilhelm Koppers (1886–1961, 1938 Entlassung in Wien und Emigration von einem Indienaufenthalt 1939 nach Rom, dann in die Schweiz), Paul Leser (1899–1984, 1933 Entlassung, 1936 Emigration zunächst nach Schweden, dann in die USA), Wilhelm Schmidt (1868–1954, 1938 Verhaftung in Wien, 1938 Emigration zunächst nach Rom, dann in die Schweiz), Georg Steindorff (1861–1951, 1939 Emigration in die USA) und Alfred Vierkandt (1867–1953, 1934 Vorlesungsverbot). Darüber hinaus erscheint unter den Namen, die vermutlich wegen des Mitglieds-Beitrags „im August 1938 nochmals durch eingeschriebenen Brief gemahnt wurden“, auch der 1936 aus Leipzig in die Türkei geflohene Wolfram Eberhard (1909–1989).[7]

Weitere Personen, die in dieser Liste nicht mehr erwähnt werden, jedoch nach den Verzeichnissen von 1932/33 Mitglied der Gesellschaft für Völkerkunde waren und Opfer des NS-Regimes wurden, waren Robert Heine-Geldern (1885–1968, 1938 Emigration von Wien in die USA), Erich Moritz von Hornbostel (1877–1935, 1933 Entlassung, Emigration zunächst in die Schweiz, dann in die USA und schließlich nach England), Herbert Kühn (1895–1980, 1935 Entlassung), Otto Maenchen-Helfen (1894–1969, 1933 Emigration von Berlin nach Wien und 1938 in die USA), Paul Rivet (1876–1958, 1942 Emigration aus dem deutschbesetzten Frankreich nach Kolumbien), Ludwig Scherman (1864–1946, 1933 Zwangspensionierung, 1939 Emigration in die USA), Bruno Schindler (1882–1964, 1933 Emigration nach England), Marianne Schmidl (1890–1942, 1938 Entlassung in Wien, Tod im KZ), Ernst Vatter (1888–1948, 1937 Zwangspensionierung, 1939 Emigration nach Chile), Dominik Wölfel (1988–1963, 1939 in Wien zwangspensioniert). Julius Lips (1895–1950), der 1933 emigrierte, war bereits 1932 aufgrund von Konflikten aus der Gesellschaft für Völkerkunde ausgetreten, nicht zuletzt, weil Fritz Krause im Rahmen der Plagiatsvorwürfe gegen Lips dem Ehrenrat angehörte, obwohl Lips sich gegen Krauses Beteiligung ausgesprochen hatte.

 

Die 2. Tagung der Gesellschaft für Völkerkunde 1936 – „besonders bedeutungsvoll für kolonialpolitische Fragen“

Am 13. und 14. Oktober 1936 fand die zweite Tagung der Gesellschaft für Völkerkunde mit 80 Teilnehmenden statt. Tagungsort war erneut Leipzig. Das Thema der Eröffnungssitzung, das, so Krause in seiner Eröffnungsrede, „eine Aussprache über ein wichtiges Thema bringt“, weist deutlich auf das kolonialrevisionistische Engagement innerhalb des Faches zu jener Zeit hin: „Wir haben das Thema ‚Europäer und Eingeborene‘ (Probleme des europäischen Kultureinflusses) gewählt, als besonders bedeutungsvoll für kolonialpolitische Fragen“.[8] Indem sich die Völkerkunde nun in Erweiterung ihres bisherigen Arbeitsfeldes den Fragen widme, „die wichtig sind als Voraussetzungen für eine in jeder Hinsicht erfolgreiche Eingeborenenpolitik und Missionsarbeit“, sei sie „zu einer lebensnahen Wissenschaft geworden“.[9] Diese erste Sitzung war mit sechs Referaten die längste Versammlung auf der Tagung.

Es folgte eine „Orientalistensitzung“ zwecks „Fühlungnahme der Völkerkunde mit der Orientalistik“. In einer weiteren Sitzung wurden verschiedene Vorträge zu „Einzelfragen“ gehalten. Die vierte und mit zwei Beiträgen kürzeste Sitzung galt „Museumsfragen“.[10] Auf der Mitgliederversammlung wurde Franz Termer (1894–1968) als neuer Vorsitzender, Arthur Byhan (1872–1946) als stellvertretender Vorsitzender und Herbert Tischner (1906–1984) als Schriftführer gewählt. Weitere Tagungen fanden unter dem NS-Regime nicht mehr statt.

 

1938 – Umbenennung in „Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde“ und Gründung der Fachgruppe „Südsee“

Der sogenannte Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wirkte sich auch auf die Gesellschaft für Völkerkunde aus. War bei der Gründung noch bewusst auf den Zusatz „Deutsch“ verzichtet worden, so sollte nun die Gesellschaft umbenannt werden. Termer bat die Mitglieder um Stellungnahme:

„Nachdem der Anschluss von Österreich an das Deutsche Reich vollzogen worden ist, steht auch unsere Gesellschaft für Völkerkunde vor neuen Aufgaben im geeinten Grossdeutschland. Ich nehme dies zum Anlass, unsere Gesellschaft den veränderten Verhältnissen anzupassen und schlage daher vor, sie neu zu benennen als Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde.“[11]

Offensichtlich gab es keine nennenswerten Einwände, und die Gesellschaft trug fortan bis zur nächsten Umbenennung im Jahr 2017 diesen Namen.

Neben der Amerikanistischen Fachgruppe entstand nun innerhalb der DGV eine Fachgruppe „Südsee“: 1938 rief F. Rudolf Lehmann zu einer solchen Fachgruppe auf. Neben Lehmann selbst bekundeten gleich zu Beginn Otto Bunzendahl, Hans Damm, Georg Eckert (1912–1974), Oswald Erdmann-Müller (1889–?), Henri Théodore Fischer (1901–1976), Georg Friederici (1866–1947), Georg Höltker (1895–1976), Hubert Kroll (1901–1940), Stephan Lehner (1877–1947), Wilhelm Emil Mühlmann (1904–1988), Hans Nevermann (1902–1982), Karl Sapper und Herbert Tischner (1906–1984) ihr Interesse an der Fachgruppe Südsee“.[12] Dies bedeutete keineswegs, dass in der Gesellschaft nicht auch Forschungen in anderen Kontinenten Berücksichtigung fanden, wie schon die Vorträge auf ersten Tagung zeigten; zur Gründung von Arbeits- und Regionalgruppen, wie es sie heute in der Gesellschaft gibt, kam es jedoch erst viele Jahre nach dem Krieg.

 

Weiteres kolonialrevisionistisches Engagement

Gab es schon auf der zweiten Tagung der Gesellschaft für Völkerkunde eine explizite Ausrichtung auf koloniale Belange, wurde der Wunsch unter den Fachvertretern und -vertreterinnen zunehmend stärker, sich in diesem Sinne grundlegend einzubringen. Die Wiederaneignung der deutschen Kolonien schien ihnen mit Beginn des Zweiten Weltkrieges und nach der Besetzung der Nordhälfte Frankreichs, Belgiens und der Niederlande durch die Deutschen im Sommer 1940 in greifbarer Nähe. Wiederholt strichen sie ihre Kompetenz auf diesem Gebiet heraus, mit der Aussicht auf Aufwertung ihres Faches und auf Subventionen ihrer Forschungen sowie oftmals auch in der Hoffnung auf Unabkömmlichkeitsstellung, d.h. auf Freistellung vom Wehrdienst. Sowohl Fritz Krause als auch Hans Plischke aus Göttingen wollten die Völkerkundler gemeinsam auf eine Linie im Engagement für die Kolonialpolitik bringen. Plischke konnte in diesem Sinne Termer für seine Idee gewinnen, eine „Arbeitszusammenkunft deutscher Völkerkundler“ einzuberufen, die schließlich am 22. und 23. November 1940 in Göttingen stattfand. Fast 30 Herren waren anwesend, darunter auch Vertreter des Reichserziehungsministeriums, des NS-Dozentenbundes und des Leiters der „Arbeitsgemeinschaft für den Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften“, Paul Ritterbusch (1900–1945).[13]

Die (Deutsche) Gesellschaft für Völkerkunde hatte von Beginn an auch Kritiker, wie z.B. Otto Reche und Georg Thilenius (1868–1937), die etwa an einer engen Verbindung mit der physischen Anthropologie festhalten wollten oder sich einen „strafferen Zusammenschluss“ wünschten.[14] Auf der „Arbeitszusammenkunft deutscher Völkerkundler“ wurde auch diskutiert, ob die Gesellschaft für Völkerkunde weiter bestehen sollte oder „unter Aufrechterhaltung der Tradition besser eine Neuformung zu begrüßen wäre“, etwa in Einrichtung eines „Deutschen Ethnologentages“.[15] Im Kontext kolonialrevisionistischen Bestrebens kamen in der folgenden Zeit wiederholt Ethnologen und Ethnologinnen zusammen; es wurde jedoch weder ein „Deutscher Ethnologentag“ gegründet, noch die DGV aufgelöst. Während des Krieges musste das Erscheinen der Zeitschrift für Ethnologie eingestellt werden. Mit der Ausgabe von 1942 (Nr. 74) erschien der vorerst letzte Band.


[1] Mitteilungen des Vorstandes. In: Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Völkerkunde 3 (Januar 1934): 1.

[2] UAL, Phil. Fak. B1/14, 11, Bd. 1; Krause, Oktober 1933, an die Philosophische Fakultät der Universität Leipzig.

[3] Krause: Die Bedeutung der Völkerkunde für das neue Deutschland. In: Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Völkerkunde 3 (Januar 1934): 1–12.

[4] Krause: Die Bedeutung … 1934: 10.

[5] Katja Geisenhainer: „...unsere Gesellschaft den veränderten Verhältnissen anzupassen...“. In: Christoph Antweiler, Michi Knecht, Ehler Voss und Martin Zillinger (Hg.), boasblog papers 1. What's in a name – Die Kontroverse um die Umbenennung der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde? Bonn u.a.: 2019: 45–50.

[6] Carola Lentz und Silja Thomas: Miszellen der Ethnologiegeschichte. Die Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde. Geschichte und aktuelle Herausforderungen. In: Zeitschrift für Ethnologie 140 (2015): 225–253, hier 230 (https://www.dgska.de/wp-content/uploads/2016/09/Carola_Lentz__Silja_Thomas_ZfE_140_2015_S.225-253.pdf#).

[7] Frobenius Institut (FI), DGV; D.G.f.V., 1. Ordner, 1959–1961, „Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde“ o.D.

[8] Krause: Begrüßungsansprache des Vorsitzenden. In: Gesellschaft für Völkerkunde (Hg.), Tagungsberichte der Gesellschaft für Völkerkunde. Bericht über die II. Tagung 1936 in Leipzig. Leipzig 1937: 1–3, hier: 2.

[9] Krause: Europäer und Eingeborene (Probleme des europäischen Kultureinflusses). Zur Einführung. In: Gesellschaft für Völkerkunde (Hg.), Tagungsberichte der Gesellschaft für Völkerkunde. Bericht über die II. Tagung 1936 in Leipzig. Leipzig 1937: 6–11.

[10] Gesellschaft für Völkerkunde (Hg.), Tagungsberichte der Gesellschaft für Völkerkunde. Bericht über die II. Tagung 1936 in Leipzig. Leipzig 1937 [11] UAL, Ethnologie, Re XIII; Termer, o.D., „[a]n die Mitglieder der Gesellschaft für Völkerkunde“; Herv. im Orig.

[12] F.R. Lehmann: „Fachgruppe Südsee“ der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde. In: Mitteilungsblatt der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde 9 (1939): 72.

[13] Vgl. Hermann Blome: Bericht über die Arbeitszusammenkunft deutscher Völkerkundler in Göttingen am 22. und 23. November 1940. Göttingen 1941: 7; Hermann Blome: Koloniale Ausrichtung der deutschen Völkerkunde. Bericht über eine kolonialwissenschaftliche Arbeitszusammenkunft deutscher Völkerkundler in Göttingen. In: Koloniale Rundschau 32 (1941): 124–127. Siehe auch Katja Geisenhainer: Netzwerke der Völkerkunde zwischen Wien und dem „Altreich“ 1938–1945. In: A. Gingrich, P. Rohrbacher (Hg.), Völkerkunde zur NS-Zeit aus Wien (1938–1945). Institutionen, Biographien und Praktiken in Netzwerken 2. Wien 2021: 743–850, hier 809–816; Frank-Rutger Hausmann: „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (1940–1945). 3. erw. Aufl. Heidelberg.

[14] Blome: Bericht über die Arbeitszusammenkunft… 1941: 26.

[15] Blome: Bericht über die Arbeitszusammenkunft… 1941: 27.

Mitteilungen der DGSKA

Heft 56 der “Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie” 2023 ist erschienen.

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