Trotz der Bestrebungen etwa des BMBF und der Hochschulrektorenkonferenz, Kleine Fächer zu stärken und zu fördern, zeichnen sich derzeit an verschiedenen Orten dramatische Gegenbewegungen durch landesweite und/oder hochschulinterne Sparmaßnahmen ab, die die Skandinavistik auf die Liste der in ihrer Existenz bedrohten Fächer bringen.

Die Skandinavistik hat in Deutschland nur mehr 12 Standorte – nun sind zwei davon bedroht: Innerhalb eines Jahres sollen die Standorte Göttingen und Tübingen geschlossen werden (unter dem Protest vieler Stimmen auf www.openpetition.de/skandinavistik); die Wiederbesetzung einer Professur an einem weiteren Standort steht noch aus. An jeder dieser Stellen hängt jeweils ein ganzes Institut bzw. die gesamte Repräsentation des Faches innerhalb der jeweiligen Universität. In der Summe führt diese drohende Reduktion um fast 20% innerhalb kürzester Zeit zu einer katastrophalen Existenzkrise, die fatale Folgen für das Forschungsumfeld, den wissenschaftlichen Nachwuchs und damit generell für das Weiterleben des Faches hat.

Fatal ist vor allem, dass zufällig mehrere skandinavistische Professuren gerade jetzt vakant sind, da an den Universitäten landes- und hochschulpolitische Sparmaßnahmen durchgesetzt werden müssen. Hinzu kommt, dass die Gremien, die diese Maßnahmen in konkrete Streichungsvorschläge umsetzen müssen, meist durch mächtigere ‚große‘ Fächer dominiert werden. Diese haben nachvollziehbarerweise ein Eigeninteresse und schließen unter dem alle belastenden Finanzdruck lieber ein kleines Fach, anstatt eine Professur aus dem eigenen Bereich zu streichen. Die Folge ist, dass die Philosophischen Fakultäten sich in absehbarer Zeit so sehr ähneln werden, dass von Fächervielfalt keine Rede mehr sein kann.

Die Lage in Göttingen:

Als die Göttinger Lehrstuhlinhaberin der Nordistik – ein Fach, das seit dem 18. Jahrhundert zum Forschungsprofil der Göttinger Universität gehört und damit die Tradition des Faches in Deutschland wesentlich mitgeprägt hat – im Jahr 2020 wegberufen wurde, konnte ihr die Göttinger Universität wegen Budgetmangels kein vernünftiges Bleibeangebot machen. Die Budgetplanung der Universität, vor allem im Präsidium, war in den Jahren zuvor auf die Erlangung des Exzellenzstatus ausgerichtet worden, womit die Universität jedoch scheiterte. Die Fakultät hat seit dem Jahr 2000 nicht einen Cent zusätzlich an jährlicher Sachmittelausstattung erhalten, also inflationsbereinigt immer weniger, bei einer gleichzeitig stark gestiegenen Anzahl an Professuren. Hinzu kommt eine sehr restriktive Landesformel, die Fächer mit hohen Lehrdeputaten in Lektoraten in der Auslastungsberechnung bestraft, und ein Ausbluten der Universität durch diverse ‚Strafabzüge‘, etwa für energieintensive Altbauten, anteilig weniger Lehramtsstudierende als andernorts etc. Die Konsequenz war, dass vor einem Jahr die Freigabe von Professuren durch das Präsidium an die Vorlage eines Sparplans gekoppelt wurde, der im April 2020 von der Fakultät verabschiedet wurde und die Schließung mehrerer Fächer (u.a. der Indologie und Finnougristik) sowie die Streichung weiterer Professuren in den nächsten Jahren vorsieht. Das Präsidium, bis zuletzt in Vertretung, hat die Annahme dieses Plans und daraus folgend die Freigabe der vakanten Professuren bis Jahresende 2020 nicht vorgenommen, als Niedersachsen eine coronabedingte globale „Minderzuweisung“ in Höhe von 1,4 Prozent des Gesamtbudgets verkündete. Nun muss ein ganz neuer Sparplan mit weiteren Einsparungen ausgearbeitet werden. Aus diesem Grund plant die Fakultät, auch die Skandinavistik zu schließen. Damit verlöre die Fakultät innerhalb kürzester Zeit drei Kleine Fächer, was diese auch deutschlandweit in ihrer Existenz bedroht. Denn als eines der Kleinen Fächer ist die Skandinavistik auf jedes ihrer Institute in Deutschland angewiesen, um weiterhin als handlungskräftiges eigenständiges Fach zu bestehen und ihr etabliertes Forschungsumfeld aufrecht erhalten zu können.

Die Lage in Tübingen:

In Tübingen ist die Skandinavistik Teil des Deutschen Seminars. Noch vor einem Jahr hieß es, man wolle die Skandinavistik im Zuge der anstehenden Neubesetzung der Professur ausbauen. Die Fächer Komparatistik und Skandinavistik hatten einen Strukturplan entwickelt, demzufolge die Skandinavistik und die Internationalen Literaturen zu einer eigenen Abteilung zusammengelegt werden sollten. Dieser Plan stieß auf allgemeine Zustimmung. Nun aber fürchtet das Deutsche Seminar seinerseits Stellenreduktionen und hat deshalb beschlossen, stattdessen die Skandinavistik nicht neu zu besetzen. Wenn Fakultät und Rektorat den Sparplänen des Deutschen Seminars zustimmen, wird mit der Skandinavistik eine Abteilung geschlossen, die all das bereits aufweist, was das Deutsche Seminar in Tübingen für die Zukunft anstrebt. Denn die Tübinger Skandinavistik ist in hohem Maße von Internationalität, Diversität und erfolgreicher Drittmittelakquise inklusive Einbindung in internationale Verbundforschung geprägt.