Workshop „Openness vs ethics? Digitization of materials from colonial contexts“ am 8.7.2021, 9-11 Uhr (per Zoom)
Im Zuge eines laufenden Digitalisierungsprojektes im Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie (FID SKA) und im Rahmen des Engagements im Netzwerk Koloniale Kontexte möchte der FID am Vormittag des 8.7. (9-11 Uhr CEST) mit Forschenden aus dem In- und Ausland darüber diskutieren, wie Sie sich den Zugang zu digitalisierten Materialien mit ethisch schwierigen Inhalten wünschen.
Zum Hintergrund:
Im Zuge der Open-Access-Bewegung ist die Massendigitalisierung für jede größere wissenschaftliche Bibliothek und viele Spezialbibliotheken (in Deutschland aber auch anderen Teilen der Welt) zu einer Selbstverständlichkeit geworden – auch für den Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie (FID SKA – siehe www.evifa.de). Der FID digitalisiert – mittlerweile im dritten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in der Förderlinie „Digitalisierung und Erschließung“ unterstützten Projekt – ethnologische Werke aus über 200 Jahren Veröffentlichungszeitraum, um Forschenden mit (meist) ethnologischem Hintergrund historische und manchmal auch neuere Materialien zur Verfügung zu stellen, die sonst nicht so leicht zugänglich sind (zu finden unter digi.evifa.de). Die von der DFG geförderte Digitalisierung hat primär das Ziel, der deutschsprachigen Forschung Material möglichst einfach zugänglich zu machen. Eine der Auflagen der DFG-Förderung im Programm „Digitalisierung und Erschließung“ beinhaltet die Forderung, das in solchen Projekten digitalisierte Material möglichst umfassend (maximal 5% können ausgenommen werden) frei im Internet anzubieten.
Diese Verfahrensweise führt bei dem überwiegend ethnologischen Material, dass im FID SKA digitalisiert wird zu einigen Fragen:
1. Wenn das Ziel der Digitalisierung ist, dass möglichst freier Zugang zu dem Wissen entsteht, wie gewährleisten wir, dass z.B. die Länder und Regionen, in denen die Forschungen stattfanden, über die Digitalisierung Bescheid wissen und diese nutzen können? Wie können sprachliche Barrieren überwunden werden, wie kann eine Informationspolitik aussehen, die über das eigene Land hinausgeht?
2. Das Material, das z.B. in kolonialen Kontexten entstanden ist, bildet vielfach die Denkmuster, Einstellungen und Wissensordnungen seiner Zeit/Kultur, mit all seinen Rassismen, machtpolitischen Verwerfungen und verletzenden Übergriffen ab. Die Transformation in eine digitale Form überführt Unrecht bzw. ethisch Fragwürdiges in ein noch besser sichtbares Format und macht es – gerade unter der Prämisse des freien Zugriffs und des oftmals vertretenen Anspruchs auf Open Access – einfach multiplizierbar. Die ethischen Implikationen einer solchen Transformation werden von den digitalisierenden Einrichtungen erst allmählich diskutiert.
3. Das so zumindest im so genannten Globalen Norden meist einfacher zugängliche Material ist in der neuen Form leicht reproduzierbar, multiplizierbar und aus seinem Kontext entnehmbar. Möchte und sollte man als Einrichtung unkontrollierten Zugriff gewähren oder haben die Einrichtungen eine ethische und didaktische Verantwortung, Präsentation und Zugriff zu regulieren und zu kontextualisieren?
Und wie können Herkunftsgesellschaften bzw. der Globale Süden sowie die Bedürfnisse der Forschung bei diesen Entscheidungen und Diskussionen einbezogen werden, um hier nicht wieder koloniale Strukturen der Wissensordnung neu zu beleben?
Für den Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie ist dies eine Leitfrage, mit der sich das laufende Digitalisierungsprojekt auseinandersetzen muss. In dem Workshop soll mit der Forschung – auch aus den Herkunftsgesellschaften – darüber diskutiert werden, wie frei der Zugang zu den Materialien aus kolonialen Kontexten sein soll/kann, welche Einschränkungen oder Kontextualisierungen mitunter als notwendig angesehen werden – immer vor dem Hintergrund, dass die Projekte in der DFG-Förderlinie „Digitalisierung und Erschließung“ keine Forschungsprojekte sein können. Was für einen Zugang braucht die Forschung zu diesen eigentlich bereits publizierten, aber vielerorts in analoger Form nicht zugänglichen Materialien? Ist sie bereit im Hinblick auf ethische Bedenken auf Freiheit im Zugriff zu verzichten? Wie kann eine Kooperation zwischen Forschung und Infrastruktur aussehen, um diese Materialien zu kontextualisieren? Wie können die Ursprungsgesellschaften besser in den Prozess der Digitalisierung eingebunden werden?
Diese Fragen sollen in dem Workshop thematisiert werden. Der Workshop wird auf Englisch und virtuell per Zoom stattfinden. Bitte melden Sie sich bis Montag, den 5.7.2021 an, um den Teilnahmelink zu erhalten. Anmeldung an: matthias.harbeck@ub.hu-berlin.de
Programm (vorläufig):
9 Uhr Beginn
Vorstellungsrunde
Einführung in die Problematik I (Matthias Harbeck)
Einführung in die Problematik II (Alexis von Poser)
Inputs
• Aisha Othman (FID Afrikastudien)
• Michi Knecht (DGSKA-Vorstand)
• Hillary Howes (Centre for Heritage & Museum Studies, Canberra/AUS)
• Emelihter Kihleng (Pohnpei Historic Preservation Program, Federated States of Micronesia)
• Magueye Kassé (Université Cheikh Anta Diop de Dakar, Senegal)
• Agnes Matthias (Staatliche Ethnologische Sammlungen Sachsen)
Diskussion
11 Uhr Ende